Wer A sagt….

11. Dezember 2011

Wer A sagt muss auch B sagen?
Wer wurde diese „Prozessanweisung“ nicht schon in frühester Kindheit zugemutet? Zähneknirschen, Erstaunen, resignative Seufzer, trotziges „na denn“  waren zumindest bei mir die Reaktionen. Das dieser erste Verweis auf Koppelung von Entscheidungen, durchaus weise  und systemtheoretisch gut begründbar ist –sozusagen ein Grundsatz zur  Aufrechterhaltung von Systemen – Familien, Kindergartengruppen, Partys oder Organisationen – ahnte ich damals noch nicht. (Manchmal kann die – normative- Theorie die Erkenntnisse der Praxis, also die praktische Theorie nur in anderen Sprachfiguren rechtfertigen). Heute wissen wir auch – theoretisch – wenn es irgendwie weitergehen soll, muss eine Kommunikation auf die andere folgen, zieht eine Entscheidung die nächste nach sich. Ich behaupte, damit ist einerseits das Wesentliche gesagt und andrerseits Wesentliches unterschlagen worden. Denn die Verknüpfung von A mit B suggeriert einen Kausal- und Bedingungszusammenhang, der mögliche C´s, D´s usw. schlicht auszuschließt. Es wird argumentativ eine Sach- oder Zeit- oder Sozial(folge-)logik aufgebaut, die recht massiv sachlich daher kommt und die Interessenslage des Begründers (der diesen Satz ins treffen führt) verschleiern soll. Die Autorität versteckt sich hinter einer kurzen – kaum befragbaren – Formel und merkt selber nicht, dass sie sich damit zugleich selbst relativiert. Nun, solche Paradoxien begegnen uns in Organisationen ja öfter, die originelle Pointe dieses Sprichwortes  liegt jedoch darin, dass jener, der diese Forderung erhebt einerseits  vorgibt, klare Vorstellungen über Zukunftsfolgen zu haben („muss auch B sagen“ –  also mit Fiktionen operiert, weil Zukunft immer ungewiss ist) aber andererseits auf das Risikopotenzial von Entscheidungen verweist, weil man nicht wissen kann, was wirklich aus „A“ wird. Das „MUSS“ suggeriert ein B und tut so, als gäbe es nicht wirklich eine Wahl. Zugleich verweist das> MUSS< auf  jenes Risikopotenzial, dass Entscheidungen tatsächlich Optionen beschränken, die Möglichkeiten für Handlungen in der  Zukunft total einschränken können. (Wenn mal das Budget für einen Neubau freigegeben ist, Verträge abgeschlossen sind, dann steht das Geld  – falls es eine begrenzte Ressource ist – nicht für anderes, z.b. für ein innovatives  Forschungsprojekt zur Verfügung).  So gewinnt dieses Sprichwort gerade in Krisenzeiten an Aktualität – ohne, dass ich damit empfehlen möchte, strategische Entscheidungsprozesse auf schwäbische Hausfrauenlogik zu reduzieren.
Die Schwäche dieser „Anweisung“ liegt aber vor allem darin, dass man nicht „automatisch“ erkennen  kann, dass ein Zustand – als eine Folge von Ereignissen  – sich in einem  markanten „A“ bündeln lässt, aus dem sich B einfach ableitet kann. Was ja hieße, ab dem Punkt A bräuchte man gar nicht mehr entscheiden, sondern nur mehr berechnen, ableiten. Mit A hat man die Weichen gestellt und rast der Zug einfach dahin.
Mit diesen Metaphern führen sich Individuen und Organisationen immer wieder in die Irre und in Sackgassen. Sie machen blind für Auswege, für unerwartete Chancen, nicht beachtete Potentiale, in der Organisation und im Umfeld. Hier dreht sich die Klugheit dieses Satzes in sein Gegenteil – er macht dumm.
Möglicherweise hilft der Einbau einer kleinen Variante, um die Negativfolgen etwas aufzufangen. Z.B.: „Wer A sagt, sollte vermuten wohin B, C, D führen könnte“ oder „Wer A sagt sollte wissen was ihm zum A geführt hat“ oder wer „A sagt sollte sich freuen A sagen zu können und Ausschau halten  nach möglichen A-1, A-2, A-3,“ oder??? Der Satz kann aber auch die Aufforderung sein, (s)einen Weg mutig bewusst zu gehen: „ JA, ich bin bereit zum B“, dann könnten wir ihn so stehen lassen.