Der Charme des Nichts-Tun

10. Juli 2012

WAS SOLL ICH NOCH TUN? Sie kennen sicher die – meist täglichen – Gedanken, Fragen, Aufforderungen, was noch zu tun wäre, damit die Effizienz, die Motivation, die Innovation, die Verantwortlichkeit, die Verbindlichkeit, die…. . Schon allein bei diesen Überlegungen spürt man die gedankliche und fast körperliche Anstrengung, den Stress, der auf der Suche nach diesem „Was noch“ verbunden ist. Und die Ergebnisse dieser Anstrengungen? Sisyphos lässt grüßen.
Mit dieser Frage „belästigen“ (sich) nicht nur Manager, sie belebt auch das Geschäft von uns Trainern, Beratern, Herausgebern von Führungsratgebern. Viele Anworten haben auch ihre Berechtigung oder besitzen zumindest einen Charme. „Genau, so werde ich es ab nächste Woche machen“ . Selbst wenn die Umsetzung wirklich gelingt, das neue Verhalten nicht von der Macht der Routine in die Kategorie der vergeblichen Versuche verbannt wird, entdeckt die gut beobachtende Managerin, der gewissenhafte Manager das nächste Defizit, das was noch immer zu wenig ist. (Dieser konsequente Blick auf das Suboptimale ist schließlich eine Hauptlegitimation für diese Funktion) Emotional ist das für alle Beteiligen – wenn auch gewohnt – doch eine ziemliche Zumutung.
Ich kann aus guten Gründen – die wissenschaftlichen lasse ich hier mal weg – einen kleinen, aber hoch wirksamen „Trick“ vorschlagen: An die Stelle des „Was noch“, setzten Sie ein „Was nicht mehr“. Das führt nicht nur zur Entlastung im Tagesgeschehen, sondern es befreit Sie als Manager, Ihre Mitarbeiterinnen und Kolleginnen von Verhalten, Routinen und Prozessen, die zwar mit der positiven Intention nach Verbesserung eingeführt wurden, aber die (Neben-)Wirkung von bremsenden, verhindernden, blockierenden Mustern nicht im Entferntesten beachtet haben.
Eine einfache – manchmal unangenehme – Übung zur Illustration: Machen Sie, ohne viel zu überlegen, eine Liste – was vermuten Sie, de-motiviert Ihre Mitarbeiterinnen? Markieren Sie jene Aspekte, die auf Ihr Verhalten, auf Meetings, Routinen, Prozessanforderungen u.a.m. zutreffen könnten. Dann entscheiden Sie, was davon Sie ein- oder zwei Wochen nicht mehr tun werden. Und, wenn Sie es wirklich NICHT tun, brauchen Sie nur mehr auf die Kraft und Kreativität der Selbstorganisation vertrauen – kleine Wunder sind garantiert.
Ein Warnung zum Schluss: dieses Infrage stellen von bestehenden Mustern – durch Weglassen – hat einen weit höheren Irritationsgrad, als das Erfinden von Neuen. Es ist aber auch wirkungsvoller.