Loben? Ui je!

1. Juni 2013

????????„Das hast Du aber hübsch gemacht“, sagt die Tante über die Zeichnung der 5jährigen Nichte gebeugt. Meines Wissens noch nicht erforscht wurde, welche Wirkungen ihr anschließender Satz „Was soll denn das sein?“ wirklich hat. Das kann von neutral über selbstkritisch „Ich kann halt nicht besser zeichnen, deshalb hat sie mein Baumhaus nicht erkannt“ bis selbstbewusst „Die versteht ja gar nichts!“reichen. Ein bißchen hängt es wohl auch vom Unterton des ersten Satzes ab: Hat die Tante ihn mit Respekt gesagt, oder klang es künstlich oder oberflächlich? Wie auch immer; es zeigt sich früh, dass die Sache mit dem Lob nicht einfach ist und dieses gespaltene Verhältnis bleibt bis ins „hohe“ Alter und macht auch vor Führungskräften nicht halt.
„Loben? Wir sind doch nicht in der Volksschule!“ ist hier oft die geäußerte Meinung. Dazu gibt es zwei Antworten:
1. Stimmt, denn wie wird in der Volksschule gelobt? „Brav!“ oder „Sehr brav!“ steht unter den Hausübungen und auch mündlich wird mit ähnlichen Worten gelobt, um die Kleinen zu motivieren, ihre Sache gut und noch besser zu machen. Das brauchen MitarbeiterInnen wirklich nicht (und Führung heute hat nichts mit Volksschulstrukturen zu tun).
2. Stimmt nicht, wenn man damit dem Sprichwort „Nichts gesagt ist genug gelobt“ folgt. Gute Leistungen wahrzunehmen und Anerkennung konkret auszusprechen ist höchst wirksam und motiviert – auch wissenschaftlich nachgewiesen – wirklich.
Ich habe auch beobachtet, dass „loben“ ein schwieriges Wort ist – siehe Assoziationen mit Tanten, Volksschulerlebnissen, dem Begriff „billiges Lob“ etc. Wenn wir uns auf „Anerkennung“ statt „Lob“ einigen können, bleibt für viele trotzdem eine Unsicherheit: Wie, wie viel, wann soll man denn Anerkennung aussprechen? Grundsätzlich ist das eine sehr persönliche Sache und muss zum eigenen Führungsstil und der Persönlichkeit passen. Drei Dinge gehören jedenfalls dazu:
1. Anerkennung muss echt gemeint sein. Wenn es die Führungskraft als „lästige Pflicht“ versteht, merkt es die/der Betreffende sofort – siehe eine künstlich klingende Tante oben.
2. Anerkennung muss konkret ausgedrückt werden. Bei „Super Arbeit in letzter Zeit!“ wird sich die/der Mitarbeiter/in zwar vielleicht auch freuen, aber wirklich wissen, WAS gefallen hat (und daher mehr davon getan werden soll), kann sie/er nicht.
3. Anerkennung erfolgt am besten spontan, wann immer etwas positiv auffällt. Warten Sie nicht bis zum nächsten Beurteilungsgespräch und probieren Sie es zwischendurch einfach aus – aber Achtung: Positives Feedback geben kann dazu führen, dass Sie auch positives Feedback bekommen!