EIN HELDENLEBEN – POSTHEROISCH GEHÖRT

3. September 2013

Vor einigen Tagen hatte ich das ungeheure Vergnügen erneut die Tondichtung von Richard Strauss „Ein Heldenleben“ zu hören (Pittsburg Symphony Orcherstra unter Manfred Honeck im Schloss Grafenegg). Plötzlich beflügelte mich die Fantasie, Strauss hatte gar nicht vor, mit dieser musikalischen Erzählung zur Heroisierung beizutragen, sondern eine kritische, realistische und ironische Reflexion zur Idee des Heldentums zu komponieren.
Mit dieser Vorstellung im Kopf, hörte ich ein neues Werk, hörte ich, warum Helden stets von Paradoxien und daher vom Scheitern eingeholt werde. Den Helden gibt es ja nur in Abgrenzung, in der „Abhebung“ von „Nicht – oder anderen Helden“. Ihn allein, groß, autonom und oben – (das Bild der narzisstischen Selbst-Überschätzung) – gibt es nicht. Erst in Relation zu anderen kann er sich inszenieren und laut Strauss (in meiner Fantasie) hat nur dann eine Chance, wenn er sich auf die Abhängigkeit einer wohlmeinenden Partnerin einlässt. Aber ist er dann noch der Held? Strauss geht aber noch weiter: der Held muss scheitern, auch wenn er Gutes bewirken möchte er wird die Widersacher (Mitarbeiter, Konkurrenten, Medien) nicht los. Letztlich fühlt er sich unverstanden und findet sein Ende in des „Helden Weltflucht und Vollendung“.
Natürlich sage ich mehr über mich, als über das Werk, wenn ich einige Spots markiere, was ich denn da so – als nicht Musikwissenschaftler – bei den sechs programmatischen Hinweisen (die zwar Strauss später streichen ließ) heraus gehört habe:
• Der Held: lauter und pompöser geht es nicht – alles was so ein Orchester erzeugen kann, wird aufgefahren – der Held hört nur sich, nichts hat daneben Platz, und in dieser Größenfantasie steckt schon die unbewusste Angst, eigentlich bin ich klein, also muss mit nur all erdenklichem Einsatz sichtbar werden. Die Großartigkeit als eine reine Demonstration.
• Des Helden Widersacher: so wie Strauss diese als „Gegwängel“ komponiert hat, muss dies der Wahrnehmung des weiterhin laut tönenden Helden entsprungen sein. Für Helden sind Einwände bloß Geschwätz, nichts Ernstzunehmendes, er weiß doch worauf es ankommt; lästig, wenn das die andern nicht verstehen.
• Des Helden Gefährtin: welche andere Musik, welch Differenziertheit, mit nur bloß einem Instrument, der Solovioline! Die Qualität einer klugen Frau, die einfach von Herzen spricht, die nicht laut tönen muss. Er hört auf einmal zu, muss natürlich dazwischen wieder mal laut vor sich hin brummeln, (für sich) sichtbar werden, die Gefährtin beeindruckt das nicht – sie sieht seine anderen Qualitäten. Und das „besiegt“ ihn – auf einmal kann er auch anders „singen“, sich anders verstehen. Verbundenheit, Liebe entdecken. Aber was nun tun mit der Heldenidentität?
• Des Helden Walstatt: ja was tun damit, mit den großen Tönen? Wie stellt man sich den wirklich großen Herausforderungen (die man – als Held – nur als Kriegserklärung interpretieren kann; siehe auch den nachwievor militärischen Jargon von Unternehmensstrategen)? Der Krieg als der Vater aller Dinge?? Wachsen geht nur über den Kampf. Der Held ist zum Siegen verdammt, aber das Siegen gelingt nicht allein, sondern nur mit der Unterstützung der Gefährtin, mit ihrer Intention und Intuition. Das besonders aufregende, Strauss lässt in diesem Siegen das alte Muster des Helden (sein musikalisches Thema) auflösen, nur durch die Wandlung, durch den Verzicht auf alte Paradigmen gelingt ihm ein Entwicklungsschritt, er wird reif zu
• Des Helden Friedenswerke: viele Fähigkeiten können nun entdeckt und eingesetzt werden (Strauss verarbeitet viele Aspekte aus anderen Kompositionen). Aber als Held kann man sich von den Relationen nicht lösen, vor allem nicht von den Widersachern, die kein gutes Haar am Friedenswerk lassen. Ein Zurück gibt es aber auch nicht mehr; die Heldentöne können nicht mehr wirksam eingesetzt werden – sie lösen sich auf, sie werden aufgelöst. Was bleibt ist
• Des Helden Weltflucht und Vollendung: Vollendung heißt, die Liebe verstehen, das alte Selbstbild zurückzulassen, auf die angebotenen Kommunikations- und Konfliktmuster der Widersacher nicht mehr einzusteigen, sich als Neuer zu entdecken, aufzugehen in einem leisen – Herz und Seele berührenden – kosmischen Klang.
Und wer von Ihnen Lust hat, dieses Experiment zu wiederholen (z.B. mit der CD der Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle), wird nicht nur einen musikalischen Hörgenuss erleben, sondern ….