Ungewissheit als Quelle für Kreativität – Impulse zum Abenteuer Führung

14. November 2018

In lockerer Folge werde ich in diesem Blog Überlegungen und Anregungen zum Thema „Führen in der Ungewissheit – Mut zum Sowohl-als-auch“, (als Buch erschienen bei myMorawa im Oktober 2018) fortsetzten.  Als erfahrene Managerinnen und Manager wissen Sie um die Begrenztheit von Rezepten und Ratschlägen, daher verstehe ich die Anregungen, Praxisbeispiele und Reflexionen als eine Einladung zur Selbsterkundung, wie Sie in Ihrer Organisation mit Freude und Entdeckerlust noch wirksamer werden können.
Routine ist nach wie vor gefragt, aber das immer wieder Unerwartete, Überraschende, die gestiegene Komplexität und Dynamik machen Führung auch zu einem Abenteuer. Ein Abenteuer, das sich besser mit einem gelassenen, humorvollen Blick auf Organisationen und ihre Umfelder bewältigen lässt. Eine Rezensentin des Buches meinte: „Es ist erfolgversprechender mit einem Lächeln als Balancierstange auf der Slack-Line der Führung die neuen Herausforderungen zu bewältigen.“ Damit hat sie meine Intention genau getroffen.
(Die Illustrationen von Eva Wiesner sind urheberrechtlich geschützt)
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Teil 1: 14. November 2018:
Ungewissheit ist die Zwillingschwester von Komplexität. Gemeinsam mit ihrer Begleiterin, der Unsicherheit, mischt sie sich ins täglichen Führungsgeschäft ein. Das kann schon recht irritieren. Wird Unsicherheit jedoch willkommen geheißen, kann ein kreatives Spannungsfeld aufgebaut und genutzt werden. Wird sie verleugnet oder versteckt – denn Führung hat ja Sicherheit zu vermitteln – wird es riskant, dann darf nicht mehr gefragt, dann kann das Neue nicht entdeckt werden.

Unsicherheit für spielerische Kreativität nutzen

Kreative Ideen, technologische und soziale Innovationen, erfolgreiche Produkte entstehen aus der Spannung zwischen unterschiedlichen Prinzipien, Prämissen oder Perspektiven. Zwischen dem „Gewusst wie“ und dem „Noch keine Ahnung“ lassen sich die Zugänge zu Möglichkeitsräumen finden.
Ihre Organisation wird dann erfolgreich Produkte und Dienst­leistungen entwickeln, die besten Mitarbeitenden gewinnen, sich am Markt bewähren, wenn jede Perspektive als Puzzel eines Ressourcenmosaiks erkannt und zueinander in Beziehung gesetzt wird. Verwechseln Sie das nicht mit oberflächlicher Harmonisierung – unterschiedliche Qualitäten zu entdecken und miteinander zu verknüpfen ist anspruchsvolle Führungsarbeit.
Die Widersprüche und Spannungen zwischen den Erwartungen der Kunden, der Investoren und Behörden, die Rahmenbedingungen der Politik, die Erkenntnisse der Wissenschaft bilden das „Material“ für die eigene Sinngebung und strategische Ausrichtung. Eine Ausrichtung, die die Erfahrungen der Vergangenheit und  das Handeln in der Gegenwart mit den Bildern der Zukunft verbindet. Es wird jenes Unternehmen erfolgreich sein, das aus einem starken Selbst­bewusstsein seiner Mitglieder, dem Wissen um deren Kompetenzen, seinem Ideenreichtum und dem Verstehen der Kundenperspektiven Neues kreiert. Das ist der zweifelsfrei interessantere Weg als der ständige Vergleich mit den so genannten Best Practice.

Ungewissheit als Ressource erzeugt neue Entscheidungssicherheit. 

Wenn Sie angesichts komplexer und damit ungewisser Situationen nicht in hektische Betriebsamkeit oder  Resignation verfallen, können Sie entdecken, wie ressourcenreich das Umfeld und Sie selber sind. Wird Unsicherheit positiv konnotiert, können Sie gar nicht anders als aufmerksam zu werden. Sie werden sich umsehen und lernen zu staunen und zu fragen. Sie werden nicht einfach lospreschen, sondern achtsam erste Schritte setzen und aufmerksam beobachten, was diese Schritte bewirken. So werden Sie neue Zusammenhänge erkennen. Sie werden vom Analysieren und Kontrollieren zum Modus des Kreierens wechseln. Und das Neue wird Neues hervorbringen – Transformation als permanenter Prozess.
Die Art der Bewegung in diesem Prozess kann nur eine agile sein. Das bedeutet, sich auf die Situationen, Ihr Gegenüber, auf das Überraschende einzulassen. Einlassen heißt: beobachtend, aufmerksam und achtsam erproben. Die Bewegung bleibt nach vorne gerichtet, vielleicht mit Auf und Ab, vielleicht mit Schleifen, vielleicht entsteht (rückblickend) eine evolutionäre Spirale.
Es beginnt beim eigenen „Mindset“, drei erste Anregungen dazu:

  1. „Ich bin mir selbst gewiss und erlaube mir daher Ungewissheit.“
    Diese „Erlaubnis“ kann Türen in neue Denk-Welten öffnen und Ihr inneres System von stabilen Annahmen über Ihre Welt und Ihre Möglichkeiten in Bewegung bringen.
  2. Neuer Fokus – neue Fragen
    Nehmen Sie Aspekte in den Fokus, die bisher nicht so wichtig waren.
    Erinnern Sie sich daran: Gedanken kann man auch anders denken! Welche Alternativen werden dann sichtbar?
    Fragen Sie sich:

Wie sieht mein Umfeld aus, wenn ich meine Einschätzungen und Bewertungen variiere?
Welche  neuen Interventionen werden dadurch möglich?
Was kommt in Bewegung, wenn ich meine Prioritäten anders setze?

Was ändert sich, wenn Sie z.B. folgende typischen Sätze umformulieren:
Alt: „Es ist doch klar, dass …“
Neu: „Angenommen, es ist nicht so eindeutig wie ich meine, was wird dann sichtbar?“
Alt: „Ohne xy können wir sicher nicht…“
Neu: „Angenommen, wir wüssten von xy gar nichts, wie würden wir dann vorgehen?“ Alt: „Wir müssen morgen unbedingt…“
Neu: „Angenommen, das wird nicht möglich, welche Alternativen stehen uns jetzt schon zur Verfügungen?“ oder: „Angenommen, wir haben das Unmögliche erreicht, mit welchem ungewöhnlichen ‚Geniestreich‘  ist und das gelungen?“

  1. Andere Überzeugungen ermöglichen andere Handlungen – Gehen Sie Ihren Annahmen auf die Spur:

Was sind die Erfahrungen/Überzeugungen, auf die ich mich berufe?
Wie ändert sich mein Blick auf die Welt/meine Handlungsweise, wenn ich sie ein wenig modifiziere?
Ungewissheit war die Quelle vieler Innovationen, der Ruf nach Sicherheit kann sie zu schnell zum Versiegen bringen.
Weitere Ideen dazu im nächsten Blog …