KOMPLEXITÄT lässt sich nicht MANAGEN

17. Februar 2022

Kompexität zu managenen bedeutet zu wissen, dass man Komplexität nicht managen kann.

Komplexität IST. Unsere Umwelt, unser Gehirn, unser Körper, unsere Familie und erst recht Märkte, Organisationen, Gesellschaften sind – jedes für sich genommen – ein komplexes System. Und dann ist noch alles zirkulär und mit erstaunlichen Wechselwirkungen „gekoppelt“. Was nicht mehr und nicht weniger bedeutet, dass sich solche (lebendigen oder sozialen) Systeme nicht wie eine (noch so komplizierte) Maschine berechnen, linear steuern und kontrollieren lassen. Betonung, „wie eine Maschine“, mit Inputs die zu erwartbaren Outputs führen, mit Regeln und Sanktionen, Anweisungen und Apellen, mit Grenzen und Tabus, mit Verlockungen und Manipulationen, mit Wissenschaft und Glaubenssätzen. Also mit dem üblichen Repertoire.

Klar, das alles funktioniert irgendwie, macht Verhalten und das Zusammenspiel in einer gewissen Weise erwartbar (aber wirklich nur in gewisser Weise!) – doch die Komplexität verschwindet damit nicht. Meist erhöht sogar eine neue Regel jene Komplexität, die sie einfangen sollte; jedenfalls aktiviert sie (für manche überraschende) Reaktionen. Weder „Anything goes!“ noch Anarchie sind Lösungen, weder der neue Autoritarismus noch ein falscher Freiheitsbegriff.

Komplexität managen, nein / Komplexität reduzieren, ja

Die Kunst besteht in einer klugen, d.h. wachen, achtsamen Reduktion der Komplexität im Wissen, dass die Reduktion (welche auch immer) das Komplexe nicht zum Verschwinden haben wird oder beherrschbar wurde. Das Wahrnehmen bzw. das Erzeugen von Unterschieden sind solche hilfreichen Reduktionen. Einem klugen Management von Komplexität wäre zu empfehlen, zu überprüfen, ob die gewählten Unterscheidungen zur Situation noch passen und ob andere Unterschiede in Entscheidungsprozesse einzuführen wären. Heute ist es selbstverständlich die Unterscheidung Unternehmen und natürliche Umwelt oder Unternehmen und Gesellschaft im Blick zu haben. Vor 50 Jahren genügte für ein erfolgreiche Strategie auf die Differenzen Marktanteil und Marktwachstum, also auf die Unterscheidung zu anderen Marktteilnehmer*innen zu achten. Der Begriff Stakeholder hätte wahrscheinlich nur Assoziationen zum Grillen erzeugt. Als Gesellschaft sind wir also nicht ungeübt neue Dimensionen der Wirklichkeit in neue Formen der Bearbeitung zu bringen

Organisationen – Meisterinnen der Komplexitätsreduktion

Organisationen sind schlechthin und notwendiger Weise Ausschnitte aus der unüberschaubaren Vielfalt an Themen und Problemen und der etwas begrenzteren Möglichkeiten, darauf spezifische Produkt- und Dienstleistungsantworten zu geben. Das von der einer Organisation Nicht-bearbeitete, das Reduzierte, oder Ausgeschlossene greifen vielleicht andere Organisationen auf oder es wird vergessen; als Option bleibt es bestehen.

Entscheiden ist per se Komplexitätsreduktion

Das eine tun und das andere lassen und manchmal ein Sowohl-als-auch entdecken. Entscheiden orientiert, macht Handeln erst möglich. Die ausgeschlossenen Alternativen, denen aber in „klassischen“ Entscheidungsprozessen der alternative Charakter genommen wurde, könnten im Sinne eines neuen Komplexitätsmanagements sowohl als Element der Risikobeobachtung als auch einer zukünftigen Chance im Gedächtnis der Organisation „abgespeichert“ werden.  

„Blinde“ Reduktionen, unreflektierte Logiken und Annahmen (= Behauptungen) sind in einer Welt, die wir fast wie selbstverständlich als komplex bezeichnen, zum Risikofaktor geworden. Genauso wenig hilft die etwas resignative – oder der Entlastung dienende – Feststellung „das ist komplex“, da wurde der Sinnspruch: „Die Welt ist VUKA, dann sei auch VUKA“ ordentlich missverstanden.

Was tun?

Wissen um Komplexität und deren seltsamen Eigendynamik ermöglicht Führung die „natürlichen, automatischen“, d.h. nicht bewusst reflektierten (=blinden) Reduktionen der Komplexität in den Blick zu nehmen. So kann sie sehend und entscheidend passende Unterscheidungen und Bewertungen einführen, überprüfen und die Wechselwirkungen beobachten. Und daraus Entscheidungen treffen, die zugleich Alternativen ausschließt und die Beobachtung von Risiken (= Wirkungen des Ausgeschlossenen) einschließt.  Wo und wie gelingt Ihnen das?