Mythos heroische Führung – Fortsetzung zum Blog vom 15.12.2015
7. Januar 2016
Auszug aus dem kommenden Buch:
„ÜberLeben in der Gleichzeitigkeit – Leadership in der Organisation N.N.“
Blog, der sechste
–…wenn die Steuernden an der Spitze merken, dass sie das Geschehen der Organisation nicht mehr wirklich im Griff haben, wenn sie merken, Planbarkeit, Machbarkeit und stabile Kontrolle dienen mehr der Illusion, denn der Bewältigung ihrer Aufgaben, dann übernimmt Angst das Regime (selbst wenn das nur wenige zugeben, die Verleugnung der Angst ist Teil des Problems) . Sie setzt einen Kreislauf des Denkens und Handelns in Gang, der in den Zustand der verloren gegangenen Sicherheit zurückführen soll.
Der Affekt sagt: „Wir holen uns die Sicherheit zurück!“ (Hören Sie Herrn Seehofer?). Die Vernunft erlaubt sich den Hinweis, dass dies nicht gelingen kann, da der Zustand, der die Sicherheit geboten hatte, unwiederbringlich aufgelöst wurde (hören Sie Frau Merkel?). Aber dies verstärkt nur den Affekt in seiner Wirkung. Er mobilisiert Erinnerungen an eine noch frühere Zeit, da „wirklich“ noch alles im Lot war. Die Gefolgschaften sehnen sich nach dem ‚Weißen Ritter‘, dem Helden, der jenseits geordneter Strukturen zu einfachen, klaren Lösungen führt und nehmen sehenden Auges den ‚Schwarzen Ritter‘ in Kauf. (…) So arbeitet man sich unter gewaltigem sozialen und finanziellem Aufwand an den anstehenden Herausforderungen ab, getrieben von unausrottbarer Sehnsucht, bösen Ressentiments und der paradoxen Befriedigung, dass alle, auch die vermeintlichen Helden, in Wahrheit Opfer sind.
Neue Leader sind gefragt
Die klassischen Heroen taugen nicht mehr als Rollenmodell für modernes Management. Wir sind dennoch in der Antike fündig geworden, bei einem, den sein erster Biograph den weisen, aber häufiger noch den erfindungsreichen, auch den edlen, und immer wieder den „herrlichen Dulder“ nannte: Homers Odysseus. Der Held als herrlicher Dulder?
In der Tat. Es geht nicht mehr um die Zerschlagung des Gordischen Knoten, sondern es gilt listig, ideenreich und situationsadäquat den Kontext zu identifizieren, Umfeld und eigene Ressourcen richtig einzuschätzen und angemessene Lösungen zu entwickeln. Gefragt sind Leader (…), die, ohne das übergeordnete Ziel aus den Augen zu verlieren, die Gunst der Stunde nutzen und sich und ihr Team gelegentlich auch mal der Gefahr der Verführung durch den Gesang der Sirenen aussetzen (aber nicht ohne eigene Absicherung und den Schutz der Belegschaft vor unzumutbaren Informationen).
Leader, die nach den „Prinzipien des Odysseus“ führen, verstehen sich als ein (unbestritten wichtiger) Teil in einem vernetzten, dynamischen System, das ganz unterschiedliche Formen annehmen und unterschiedliche Wege gehen kann, in dem immer weniger nacheinander und immer mehr gleichzeitig geschieht, und wo es keinen Punkt gibt, von dem aus man das Ganze erkennen, geschweige denn gezielt beeinflussen könnte.
Sie täuschen nicht Sicherheit vor, wo es keine Gewissheit geben kann. Unsicherheit ist für sie kein Mangel, sondern nahezu eine Voraussetzung für das Erkennen von Widersprüchen und das Auffinden von Alternativen.
Sie können zielgerichtet zupacken und aufmerksam zuwarten, sie verbinden Gestalten und Annehmen, sie geben die Richtung vor und können einfühlsam mitgehen, sie stehen für sich allein und sind mit anderen verbunden, sie sind selbstbewusst und selbstzweifelnd, sie helfen und lassen sich helfen, sie sind stolz und demütig zugleich.
Sie wissen um ihre Kraft, ihren Einsatz, um die Bedeutung der Mitspieler und sie können mit Dankbarkeit das Ergebnis auch als ein Geschenk annehmen. Sie sind Heldinnen und Helden, die auch – oder gerade – in der höchsten Position professionell-authentische und daher glaubwürdige Menschen geblieben sind.