AGILE•ROBUSTHEIT und die Krux des Entscheidens

22. Mai 2024

Entscheidungen sind sowas von alltäglich, im Privaten und im Organisationskontext. Man merkt oft gar nicht – manchmal zum Glück – wann man es eigentlich nur mit einer Berechnung oder Ableitung von einer vordefinierten Logik, einer Expertise, einer Norm, einer Spielregel („so macht man das eben“) zu tun hat, oder wo man es tatsächlich mit einer Ungewissheit zwischen Alternativen, mit hoher Komplexität zu tun hat, die nicht berechenbar sind und daher „echte Entscheidungen“ verlangen.
Ohne es vorweg wissen zu können muss man das „Unentscheidbare entscheiden“ – so pointiert hat Heinz v. Foerster Entscheidungen markiert. Entscheidungen, wo man letztlich nur hoffen kann, dass sich in Zukunft im Rückblick zeigen wird, dass man die beste, die passendste, die stimmigste Wahl getroffen hat. Ich wähle bewusst nicht die „richtige Wahl“, denn Richtiges lässt sich nur aus bereits bestehenden Festlegungen (Logik, naturwissenschaftlicher Stand des Wissens, Tabus und Werte, u.a.m.) berechnen oder ableiten.

Ob man will oder nicht, ob man von Paradoxien schon gehört hat oder nicht, echte Entscheidungen sind paradoxe Abläufe. Man steht vor zwei oder mehreren gleichwertigen Alternativen. Wenn beim Bewerten dieser Alternativen keine Gleichwertigkeit gesehen wird, ist eigentlich nichts zu entscheiden, höchstens zu überprüfen, also zu berechnen, woran zu messen ist, was die „Über-gewichtigkeit“ einer Alternative ausmacht – das allein kann schon kompliziert sein. 
Entscheiden, verstanden als Hexenkunst, wandelt in einem oft nicht durchschaubaren Prozess das zuerst Gleichwertige in deutlich Ungleichwertiges, auch wenn sich dieses – sie kennen das wahrscheinlich von Kaufentscheidungen –  als „gekränkte“ ausgeschiedene Alternative zu Wort meldet.

Um das Dilemma dieser Paradoxie etwas zu reduzieren, erfinden Menschen, vor allem aber Organisationen, sgn. Entscheidungsprämissen. Das können inhaltliche, soziale, wertorientierte oder zeitliche Aspekte sein, die man dann beim Betrachten der Alternativen an diese anlegt.

Heute möchte ich eine (strategische) Entscheidungsprämisse vorstellen, die auf einem allgemeinen Überlebensprinzip beruht, der AGILEN•ROBUSTHEIT.

Der Clou, die Bewältigung der Paradoxie des Entscheidens mit der Paradoxie der AGILEN•ROBUSTHEIT. Was ist gemeint?

AGILE•ROBUSTHEIT verbindet zwei – denkt man sie getrennt – grundsätzlich gegensätzliche Prinzipien. Das Eine, die Agilität bezieht sich auf die Fähigkeit, schnell und flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Das Andere, die Robustheit hingegen steht für Stabilität und Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Störungen. AGILE•ROBUSTHEIT ist eine dritte Eigenschaft eines Systems, die es ermöglicht in einem dynamischen und ungewissen Umfeld erfolgreich zu bestehen.
Es ist das Überlebensprinzip des Lebendigen!
Organisationen tendieren dazu, Agilität und Robustheit als zentrale Differenzen sorgfältig zu balancieren, um so widerstandsfähig und anpassungsfähig zu bleiben. AGILE•ROBUSTHEIT balanciert nichts, es ist – wie man z.B. an einem Baum, an einem Grashalm und anderen Organismen markant beobachten kann – das „Wesenselement“ lebender Systeme (und auch von manchen Materialeigenschaften).
Dafür sorgt in der Natur die Evolution, in Organisationen ist es die bewusste Führungsarbeit. Klingt mühevoll, ist es aber nicht. Ist das Prinzip verstanden, erfasst und erfühlt, genügt es bei Entscheidungen (über Strategien, neue Strukturen und Prozesse, Spielregeln, …) zu fragen, welche der Alternative ist AGIL•ROBUST? Erlaubt die Alternative in Zukunft weitere Optionen zu entwickeln (führt also in keine Sackgasse), gibt sie zugleich eindeutige Orientierungen vor, ermöglicht sie Festlegungen (verhindert also Beliebigkeit)?
Erweisen sich beide Alternativen als AGIL•ROBUST ist das beruhigend und irritierend zugleich. Dann hat man es tatsächlich mit gleichwertigen Alternativen zu tun und muss nun doch wieder das „Unentscheidbare“ entscheiden. Das ist die Stunde von anderen Entscheidungsprämissen: wer wird Alternative A mehr unterstützen als B? Können Situationspotenziale aus dem Kontext der Entscheidung Hinweise geben? Welche Alternative lässt mehr Experimente zu? Welche Alternative erlaubt einen iterativen Prozess in der Umsetzung der Entscheidung? Welche anderen Aspekte von Gefahren und Risiken sind zu berücksichtigen? 

So hilfreich die Komplexitätsreduktion auf eine Entscheidungsprämisse auch ist, man entgeht nicht der Ungewissheit, was sich in der Zukunft bewährt.

Weitere Informationen zur AGILEN•ROBUSTHEIT©    (> https://redmont.biz/agile-robustheit/)