Das Ungewisse mit der Gewissheit
20. März 2016
„Das ist doch klar“ – „Wir haben das genau analysiert“ – „Die Trends zeigen doch eindeutig…“ – „Die Ursache konnte eindeutig geklärt werden“, „Dafür finden wir sicher rasch eine Lösung“.
Gewissheiten habe was Beruhigendes und Verführerisches. Und weil sie so entlastend sind, verfallen wir auch jenen, die Gewissheiten nur vorgaukeln, die uns von einer berechenbaren Zukunft erzählen oder die komplexe, lebendige, nicht-triviale Systeme auf einfache Kausalitäten „runter reduzieren“. Professionelle Gaukler (manchmal bedient man sich ja selbst dieser Rolle) wissen um die Sicherheitssehnsüchte und wissen – auch ohne böse Absichten – sie entsprechend zu bedienen. Nur zu welchen Preis?
Mit ungeprüften Behauptungen, Beweisen, Ideologien, Powerpoint-Präsentionen, kühnen Sprüchen wird Kontingenz, Vielfalt und Komplexität der Lächerlichkeit preisgegeben.
Entdeckt man den Charme der Ungewissheit, gewinnt man nicht nur eine realistischere Perspektive auf Menschen, Teams, Organisationen, man wird weniger anfällig für (Selbst-) Täuschungen, er-wartet nicht mehr „Welterklärer“, sondern wird zum Mit – Gestalter der Welt.
Ersetzten wir Schein-Gewissenheiten durch die Weisheit aus dem Ungewissen.
Diese Volte befreit, sie animiert zu fragen und zu hinterfragen (etwas, was Gewissheiten gar nicht goutieren), sie öffnet den Blick, mehr als nur über den Tellerrand. Sie immunisiert gegen die Schauergeschichten der Angst-Macher, gegen die Angst, die klein macht und die Nuancen verschwinden lässt.
Man muss bloß eine neue „Freundschaft“ schließen und die Ungewissheit umarmen. Dann entdeckt man den Reichtum durch Vielfalt, dann hat der göttliche Funke die Chance jene Kreativität zu zünden, die sich erst durch ein „jetzt-habe-ich-keine-Ahnung-mehr“ entfalten kann. Dann öffnen sich Augen, Ohren, Herz und Hirn; die Voraussetzung für achtsames und reflektierendes Handeln.
Dem Ungewissen, dem „Nicht-Trivialen“, dem Komplexen (nicht zu verwechseln mit dem Komplizierten) kommt man nicht durch Analysen bei, sondern nur durch aktives, sorgsames entdecken. Trial and Error sind gefragt.
Das Unbekannte kann man nur – gut ausgestattet – erkunden.