“Thank You for Being Late”,

21. Februar 2018

ist der Titel des neuen Buches von Thomas L. Friedmann,
Ohne noch das Buch selbst gelesen zu haben (siehe aber die Rezension von Winfried Kretschmer auf changeX), spürte ich, genau (!), darauf kommt es mehr denn je an.
„Danke, dass Sie zu spät kommen“ könnte man als eine zynische „Abmahnung“ hören, oder als wirklichen Dank für geschenkte Zeit verstehen. Der Zuspätkommende unterbricht die enge Taktung, und öffnet ein überraschendes Zeit-Fenster. Und wer möchte und gelassen genug ist, kann darin – nach dem ersten Ärger – ein Geschenk erkennen.  Eigentlich ist es nur eine flüchtige Chance, ein Hauch von Freiheit, aus der man sich selber ein Geschenk machen kann. Ein kurzes Durchatmen, ein Aufschauen, ein Innehalten, ein Platz für das kreative NICHTS, ein versonnenes Lächeln, ein Augenblick des Besinnens, ein zu sich kommen – nennen wir es gängiger: einige Augenblicke zum Reflektieren.
Risiken erhöhen sich stets, wenn bei zusammengehörenden Widerspruchspaaren nur mehr eine Seite gesehen, präferiert, forciert wird; wenn die Balance verloren geht. (Nur die Erneuerung oder nur das Bewahren, nur das Funktionale oder nur das  Menschliche, nur die Beschleunigung oder nur die Entschleunigung; u.v.a.m.)
Es dauert lange bis die Erkenntnisse von Philosophen im Alltag verstanden und genutzt werden. Nur zwei Beispiele: 1989 markiert Peter Sloterdijk in „Eurotaoismus“ die „Neuzeit als Mobilmachung“ und reflektiert die „Panische Kultur – oder: Wieviel Katastrophe braucht der Mensch?“.   1990 (!) gründet Peter Heintel den Verein zur Verzögerung der Zeit (Ziel: „Die verhängnisvollen Auswirkungen, welche die oft nicht zu Ende gedachten und aktionistischen Beschleunigungstendenzen in allen Lebensbereichen mit sich bringen, fordern es geradezu heraus, dass eine Gruppe von Menschen ihren Zeit-Sachverstand einbringt und an das angemessene Zeitmaß erinnert bzw. eine die Eigenzeitlichkeit lebender Systeme berücksichtigende Entwicklungszeit einfordert“ Auszug aus den Statuten) und veröffentlicht 1990 sein Buch „Innehalten“ (Herder).
Das reflektierende Innehalten wird mehr denn je zur Voraussetzung einer erfolgreichen Steuerung von Unternehmen und zu einer Überlebensfrage der Gesellschaft. Die meisten wissen, Digitale Transformation ist nicht wirklich ein technologisches Problem, sondern ein organisatorisches, soziales, menschliches. „Das Sicherstellen eines sinnvollen und nachhaltigen Nutzens für die Organisation, deren Kunden und Stakeholder erfordern das Zusammenwirken unterschiedlichster Fähigkeiten und Disziplinen, eine Kooperations- und Kollaborationsfähigkeit unterschiedlicher Expertinnen, soziale und emotionale Intelligenz, Verstehen und Steuern der sozialen Dynamiken in und zwischen Organisationen.“ (Redmont Consulting Cluster) Ohne die Integration von bewusstem reflektierendem Innehalten, ohne das „Dazwischenschieben“ von Entschleunigung, kann diese Anforderung nicht bewältigt werden.
Sagen wir es positiv: Nutzen wir die Fähigkeit von uns Menschen (im Wissen um die Gesetze des Lebendigen), den passenden Rhythmus zu finden.