In der „Die Zeit“ Nr. 21 vom 17. Mai 18, wird eine Analyse zur aktuelle weltpolitische Lage mit der Überschrift „In der Hamsterrad-Hölle“ charakterisiert. Der dazu eingefügte Cartoon zeigt einige politische „Führer*innen“ in ihrem Hamsterrad, und suggeriert so, als wäre jeder in seinen Interessen, Konzepten und Gedanken gefangen. Ein beunruhigendes Bild. Sind die politischen Repräsentanten – im Unterschied zu den klugen Journalist*innen – wirklich nicht im Stande komplexe Zusammenhänge zu durchschauen und darauf Antworten zu finden? Wenn dem so wäre, würde – während sich jede(r) in seinen Denkschleifen reproduziert und bestätigt – eine eigenständige, unkontrollierbare Eskalationsdynamik die Regie des Geschehens übernehmen. So pessimistisch bin ich nicht, aber die Hamstermetapher führt mich doch zum ersten Denkimpuls, der diesen Blog – in dem ich mich ja mit Führung, Komplexität, Agilität, Ethik in Organisationen beschäftige – berechtigen kann:
Welche Denkräder, die ich, die Sie immer wieder bedienen und die uns so beweglich erscheinen lassen, bringen uns letztlich keinen Schritt weiter, erhalten aber die Kondition aufrecht?
Als würden wir uns so von der Zumutung der Komplexität abschotten können.
Im Artikel wird später erinnert, dass „Jürgen Habermas vor mehr als 30 Jahren die >neue Unübersichtlichkeit< ausrief, die aber jetzt unübersehbar wirklich da ist“.
2016 nannten wir unser Buch bewusst „ÜberLeben in der Gleichzeitigkeit“, um zu verdeutlichen, dass wir einerseits nicht umhin kommen einen Schritt nach dem anderen Schritt zu setzten, aber nicht rechnen sollten, dass die zeitliche Folge zu linearen, kausal logischen oder rationalen Inhalten führt.
Wenn das Komplexe und damit das Unberechenbare kein Gedankenspiel mehr von Soziologen oder Philosophen ist, sondern beinhart die Realität kennzeichnet, wären neue Überlegungen über Wirksamkeit, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten von Interventionen jeder Führungskraft zumindest bedenkenswert.
Aber nachwievor wird dieser Zumutung mit der Illusion der Steuerbarkeit, mit der Reduktion von Vielfalt und Vernetzung auf Twitter-Format und andere eindimensionale Sager, begegnet.
Welchen Steuerungsillusionen bedienen Sie sich? Und was wissen Sie über die damit verbunden Risiken?
Einige weiteren Zitate aus dem Artikel:
„Von ihrem mächtigsten Verbündeten alleingelassen, müssen die Europäer nun einen eigenen Weg in einer Welt ungewisser Allianzen und multibler, sich durchkreuzender Konflikte finden. Deutschland (…) bewegt sich immer öfter nicht mehr in einem politischen Lager, sondern in Koalitionen, die je nach Anlass wechseln, einander zuweilen überlagern und manchmal in Widerspruch zueinander stehen“
Trifft das auch auf Situationen in Ihrem Unternehmen zu? Wenn ja, dann scheint mir die Strategie des deutschen Wirtschaftsminister Altmaier genau die dafür adäquate zu sein, „auch wenn dies einige als Schwäche auslegen“. Nämlich reden und ausloten. „Wem keine anderen Instrumente zu Verfügung stehen, dem bleibt nichts weiter übrig, als zu reden“ Ein Vorgehen „vorausschauender Klugheit“.
Außenminister Maas, der eine etwas andere Strategie verfolgt, macht dennoch deutlich: „Man kann unterschiedliche Ansichten haben und aussprechen – und dennoch anderswo zu Ergebnissen kommen“.
Komplexe Verhältnisse erfordern eine kreative und sozial intelligente Kombination von Prinzipienorientierung und Pragmatismus.
Und von uns mehr und mehr die Fähigkeit „imstande zu sein, gleichzeitig zwei einander diametral entgegengesetzte Gedanken im Kopf zu haben und trotzdem funktionsfähig zu bleiben“ (F. Scott Fitzgerald)