Alt aber immer wieder Aktuell, wie kann Führung für Veränderungen begeistern? Alte und aktuelle Gedanken dazu

21. Oktober 2019

Wie kann Führung für Veränderungen begeistern?
Alte und aktuelle Gedanken dazu. Ich werde vier Aspekte beleuchten:
Veränderungen managen heißt,…
…sie zu ermöglichen,
…Agilität verstehen,
…Ungewissheiten kreativ nutzen,
…mit und nicht gegen Komplexität führen.

Veränderungen managen heißt, sie zu ermöglichen:
Nachwievor gilt, Begeisterung – oder zumindest Engagement – entsteht, wenn ein inhaltlicher und emotionaler Spannungsbogen aufgemacht wird:
a) Was ist das Problem, das Kritische der IST-Situation JETZT (wichtig: ohne die Verfahren, das Verhalten in der Vergangenheit zu entwerten!!);
b) wie stellt sich das Management ein attraktives SOLL vor, verbunden mit der Bereitschaft, dies kritisch befragen zu lassen (was ist daran wirklich so toll?) und
c) welche Ressourcen wird man für den noch OFFENEN Weg bereitstellen, inkl. erster Hinweise auf Risiken und Kosten („uns ist bewusst, dass…“).

Veränderungen managen heißt auch zu erkennen, was es zu bewahren gilt.

So wird Führung zur Kunst des ‚Sowohl-als-auch‘: sowohl Veränderungen aktiv vorantreiben, gegen die Tendenz der Beharrung (auch der eigenen) intervenieren, als auch Stabilität sicherstellen.
So paradox es klingen mag, beginnen Sie Veränderungen mit der Klärung, was erhalten werden soll.
Man könnte auch sagen, Führen balanciert das UND – Bewahren UND Verändern; sie vermeidet soweit als möglich das Entweder-Oder!
Zugleich sollten immer wieder die Bedeutung, die Inhalte von Veränderungen, die erforderlichen Musterwechsel für die Überlebensfähigkeit des Unternehmens herausgearbeitet UND Richtungsentscheidungen getroffen werden.Das Unklare benennenUND Klarheit schaffen. Das lässt sich bspw. gut in Dialogforenmachen.

  • Welchen Herausforderungen und müssen und wollen wir uns stellen, wofür Verantwortung übernehmen? Was ist der relevante Kontext für unser zukunftsorientiertes Handeln, mit wem bilden wir eine „Überlebenseinheit“?
  • Worin sollte Bewährtes auf innovative Weise gesichert werden, worin können kluge Routinen für neue Aufgaben genutzt und wo sollte man mutig bewährte Annahmen, Erfahrungen und Gewissheiten hinter sich lassen?
  • Worin wird sich die neue Ausrichtung des Unternehmens von der bisherigen unterscheiden? Wie waren wir UND wie werden wir jetzt sein? Visionär-strategisch, pragmatisch-taktisch, klug bewahrend, mutig-vital, nüchtern-kostenorientiert, kühn-experimentierend,…? Die klare Ausrichtung bestimmt das Engagement, orientiert die Begeisterung.
  • Wie werden die Mitarbeitenden erkennen, wie die Führungskräfte selbst mit Bewahren und Verändern, mit Sicherheit und Unsicherheit umgehen, oder hören sie nur Appelle?

Veränderungen managen heißt, Agilität verstehen
Die Umweltdynamiken – von den Unternehmen mit erzeugt – zwingen zu einer rascheren Anpassungsfähigkeit, erfordern eine neue Qualität von Organisation. Das Buzzword heißt Agilität. Für mich ist Agilität nicht der andere Pol von Stabilität, sondern von Unbeweglichkeit, Erstarrung. Daher waren Unternehmen, soweit sie nicht in die Insolvenz geschlittert sind, schon immer auch beweglich.
Jetzt geht es um die Frage, worin brauchen wir ein mehr (an Agilität) und worin eine andere; welches „Stabil-sein“ muss im „Agil-sein“ beinhaltet sein?

Daher ist Führen auch im Kontext von Agilität die Kunst des Sowohl-als-auch, die Kunst des UND.
Das Balancieren zwischen Bewegen UND Innehalten, zwischen Vorantreiben UND Entschleunigen, zwischen präzisem Planen UND neugierigem Experimentieren, zwischen Werteorientierung UND Pragmatismus.
Wir brauchen „hybride Organisationen“, die gegensätzliche und widersprüchliche Aspekte verbinden können: Standardisierung mit rascher Anpassung, hierarchische Strukturen mit selbstorganisierten Teams, Routinen der Linienlogik mit agiler Prozesssteuerung, die Eigenlogik des Unternehmens mit der Kunden- und Lieferantenlogik.

Veränderungen managen heißt, Ungewissheiten kreativ zu nutzen
Ungewissheit ist Fakt. Wie man sie bewertet ist eine Frage des Mindset, eine Entscheidung der Führung. Ist sie ein unangenehmes Problem oder eine interessante „neue“ Begleiterin? Entdeckt man ihre Qualitäten, bietet sie viele Chancen für kreative Entwicklungen. Man muss ihr nur die Möglichkeit der Entfaltung eröffnen. Ungewissheit erfordert einen weiten Blick, Achtsamkeit UND Konzentration.
Will Führung Ungewissheiten kreativ nutzen, sollte sie für sich und andere (gedankliche und reale) Möglichkeitsräume schaffen. Eingebettet in einen klaren Rahmen können dann die Mitarbeitenden eigenständig und selbstverantwortlich die jeweils auftretenden Probleme und Herausforderungen mit neuen Vorgehensweisen lösen.
Man muss sich nur auf die verteilte Expertise verlassen. Verteilte Systemintelligenz erlaubt, Komplexität der Umwelten besser zu bewältigen. Führungskräfte verstehen sich dann nicht als die, die wissen wie es ist und wie es zu sein hat, sondern mehr als Gestalter*innen und Koordinator*innen von Entscheidungsprozessen.
Sie lassen unterschiedliches Handeln zu, im Vertrauen, dass die jeweiligen Expert*innen und Entscheider*innen kommunikativ klären, was für ihre Gegenüber (interne, externe Kunden und Lieferanten) sinnvoll ist (im Rahmen der Grundsätze und Ausrichtung des Unternehmens).

Veränderungen managen heißt, mit und nicht gegen Komplexität zu führen.

Meine Empfehlung: „Wenn die Welt VUKA (vuka = volatil, ungewiss, komplex, ambiguin) ist, dann sei selbst VUKA“.

„Eine Situation, ein System ist dann komplex (oder VUKA), wenn man sie/es nicht berechnen kann, auch wenn man vollständige Informationen über alle seine Elemente hätte.“ (Armin Nassehi)  
Immer passiert etwas gleichzeitig, oft sehr Unterschiedliches, das selten linear, eindeutig kausal aufeinander bezogen ist. (Die kausale ‚Maschinenlogik‘  – weil A dieses gesagt hat, macht logischerweise B jenes – funktioniert nur als nachträgliche Erklärung und nicht als Prognose). Verhalten „entsteht“ vielmehr aus  Wechselwirkungsprozessen, das in den konkreten Akteuren und Rollen nicht vorweg angelegt ist und das nur sehr begrenzt berechenbar ist.
Man kann jedoch Kommunikationsmuster und Entscheidungsprämissen (Programme, Spielregeln, Rollen, Werte) erkennen, reflektieren, gestalten und nutzen. Maschinen lassen sich – wenn man denn Experte ist – berechnen und kontrollieren. Verhalten, Kooperationen, Entscheidungsprozesse kann man beobachten, man kann hinhören, nachfragen, rasches Vereinfachen vermeiden, Widersprüche nutzen. Mit diesem Führungsverständnis kann man sogar Teams und Organisationen in gewisser Weise steuern, Veränderungen managen.

Gelassenheit, Achtsamkeit und neugieriges Staunen sind dafür zentrale Fähigkeiten. Sie sind die Voraussetzung, um den Überblick zu behalten, Zusammenhänge zu entdecken, im Geschehen mitzumischen und sich distanzieren zu können. So öffnet man sich für das ‚Spiel des Erkennens‘ zwischen Vernunft, Intuition und Nichtwissen.
Veränderungen in komplexen Verhältnissen erfordern nicht nur neue pragmatische Organisations- und Lösungsmuster, sondern einen Dialog über ein neues „Verhältnis“ von ‚Freiheit und Ordnung‘. Ich benenne es bewusst so „philosophisch“, um deutlicher das Spannungsverhältnis, um das es geht, in den Blick zu bekommen.

Mitarbeitende, Teams brauchen für einen adäquaten Umgang mit Komplexität einen größeren Spielraum, mehr Entscheidungsfreiheit und zugleich neue Commitments: welches Verhalten „passt“ zu den Zielen, zum Sinn, zum Purpose und welches nicht, wie soll Komplexität reduziert, Entscheidungssicherheit ermöglicht, Erwartungen abgestimmt, Verbindlichkeit und Verantwortungsübernahme sichergestellt werden.

Ein UND zum Schluss:

Begeisterung ist wunderbar, hilfreich, energetisiert UND zugleich geht es bei Organisationen um deren spezifische Aufgaben, Verantwortungen und schlicht um das Funktionieren. Das bedeutet, um es deutlich zu sagen, dass Mitglieder einer Organisation deren (Mitgliedschafts-)Bedingungen, deren Spielregeln akzeptieren müssen. Und man täuscht etwas vor, wenn man diese Zumutung nur in hierarchischen Organisationen verorten würde. (Fragen Sie Menschen, die Erfahrungen mit Scrum oder mit Soziokratie oder Holokratie haben.)
In agilen Organisationen können jedoch die Bedingungen, Spielregeln reflektiert und gemeinsam gestaltet werden.

Sieben Tipps zum Managen von Veränderungen:

  • Verbinde Prinzipientreue mit Pragmatismus  
  • Gestalte Führung als einen Dialog, statt als Inszenierung von Appellen
  • Nutze die Unsicherheit, sie hilft die richtigen Fragen zu stellen und neue Ideen zu kreieren
  • Lade dazu ein, Annahmen zu überprüfen und neue zu entwickeln
  • Gehe auf die Suche nach Situationspotenzialen
  • Erlaube das Entdecken und Erproben Gönne Dir und Deinem Team ein Innehalten und Zeiten für Reflexion

   

Die Inhalte meiner Blog-Serie sind Spots und Reflexionen zum Thema:
„Führen in der Ungewissheit – Mut zum Sowohl-als-auch“

Zum Autor:Herbert Schober-Ehmer (Geschäftsführender Gesell­schafter im Redmont Consulting Cluster) ist systemischer Organisationsberater, Executive Coach und Autor. Er ist ein Doyen der Wiener Schule der Organisationsberatung, seit über 40 Jahren als Senior Consultant, Trainer, Coach und Lehrbeauftragter tätig. Weitere Artikel u.a. in changeX, Wissensmanagement,  Personal Manager.
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