Corona und Climate

24. September 2020

C & C – mit beiden Begriffen verbindet man zu Recht Gefahr und höchste Risiken für jeden Menschen, die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Politik.  

Beide kümmern sich nicht um Grenzen, beide sind „einfach Naturgewalten“, die uns auf Grund ihrer Komplexität mit dem Unberechenbaren konfrontieren (man kann nur die Infektionen, Heilungen und Tote zählen, aber nicht vorweg exakt berechnen). Das löst höchste Unsicherheit aus. Jeder Einzelne, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Medien, eigentlich alle sind gefragt, Wege zur Bewältigung, Wege zum Erhalt eines lebenswerten Lebens zu entwickeln. Die Politik und Arm in Arm mit ihr das Rechtswesen, sind besonders gefordert. 

Der Unterschied, der einen Unterschied macht

Und es ist ein gewaltiger (dieses Attribut muss ich einfach verwenden) Unterschied für das Vorgehen, zu beobachten – wenn es um Corona oder wenn es um Climate geht. Die Reaktionen auf Corona – auch wenn sie mit mehr und mehr Skepsis begleitet werden – haben in den demokratisch verfassten Ländern eine Eingriffs- und damit Gestaltungskraft des politischen Systems gezeigt, wie ich es in meinem Leben noch nicht erfahren habe.  
Darin liegt die Chance für Climate, für die Menschheit

Es braucht immer wieder solche mächtigen, umfassenden Begriffe, damit die Bedrohung durch den Klimawandel bei all dem Rauschen der Themenvielfalt und der täglichen Corona Berichte, im Fokus bleibt.  

Auch der Rhythmus – kurzfristige Analyse / rasche Bewertungen / neue Restriktionen / neue Lockerungen / regionale Differenzierungen machen bei Corona Sinn, bei Climate wäre er völlig fehl am Platz – das scheint noch nicht angekommen zu sein. 

Worin liegt der Unterschied?

Was macht nun den Unterschied aus zwischen der Bedrohung durch die Pandemie und der Bedrohung der Lebensgrundlage durch die Klimaveränderung und der mit ihr einhergehenden Katastrophen? Was macht so unterschiedliche politische Interventionen möglich, die trotz Kritik mit einer hohen Akzeptanz rechnen können? 

Ich vermute, dass folgende Dimensionen zusammenwirken: das Körperliche, die hoch emotional besetzte   Verletzbarkeit, die irritierende Sichtbarkeit des Todes, der radikale Eingriff in die Intimität, die Bedrohung durch Nähe, die Verschiebung der  unmittelbaren emotionalen Beziehungen zwischen Menschen. Entziehen, Verleugnen ist kaum möglich, außer man versucht es über Verschwörungsideen.  Plötzlich wird im Alltag über Paradoxien gesprochen, wird akzeptiert, dass wir uns soziale Nähe nur über die soziale Distanzierung erhalten können. 

Der Kampf um Aufmerksamkeit

Und es scheint mir noch paradoxer:  
das Virus ist nicht zu sehen, nicht zu riechen, nicht zu spüren – außer man ist infiziert und hat auch Symptome. Die Auswirkungen des Klimas sind eigentlich viel evidenter, der Einfluss auf das Wetter, auf Temperaturen spüren wir – zumindest in nicht-klimatisierten Räumen. Man sieht die Überschwemmungen, Vermurungen, die zurückgegangenen Gletscher, die dürren Felder, die brennenden Wälder, … 

Und dennoch tun wir uns mit den erforderlichen Maßnahmen so schwer, wird – wenn überhaupt – nur zögerlich gehandelt, darf die Wirtschaft, darf unser Konsumleben weitergehen wie bisher. Dann taucht COVID 19 auf und Länder, Unternehmen, das gesellschaftliche Leben werden stillgelegt. 

Vom Abtrakten zum Konkreten

Daraus ergibt sich für mich die Frage, wie müssen wir die Erzählungen (Narrative) zum Klimaprozess ändern, damit unsere Körper und damit unsere Gefühle, unser Denken und Bewerten ähnliche Resonanzen erzeugen, die uns bereit machen, Verhalten und Werte radikal zu ändern? Die 15- bis 25-Jährigen scheinen bereits andere Wahrnehmungs- Gefühlsqualitäten entwickelt zu haben – sie spüren die Bedrohung, das Überlebensrisiko. Für die Mehrheit der älteren Generationen ist es eine – wenn es nicht sogar geleugnete – abstrakte Erkenntnis. Das Wissen wird zur Kenntnis genommen, es berührt aber nicht und kann daher keine Energie “erzeugen”. 

Ein weiterer Aspekt kommt sicher noch dazu: es gibt das Versprechen, wir werden das verdammte Virus besiegen (Kriegsmetapher), es wird Medikamente, Impfstoffe geben und dann werden wir leben können, wie vor dem Februar 2020. 
Dieses Versprechen gibt es beim „Kampf“ gegen das Klima nicht. Die engagierte zivilgesellschaftliche Bewegung
>system change – not climate change< macht dies in ihrem Namen schonungslos deutlich.  
Es gibt kein Zurück zum Gewohnten, sondern nur ein Nachvorne zu neuen Lebens- und Wirtschaftsformen. Die damit verbundenen Szenarien zeichnen sehr unterschiedliche, tw. kaum vorstellbare Bilder und begeistern noch nicht allzu viele. Dass etwas zu tun wäre, landet, wenn es gut geht, bei einer 20% Akzeptanz. Das ist weder mehrheitsfähig noch trägt es politische Eingriffe, rechtliche Maßnahmen (siehe die CO2-Bepreisung). 

Was tun?  

Wenn man, so wie wir bei Redmont und bei FLIPSITE https://flipsite.org, überzeugt ist, es ist höchste Zeit für nachhaltige, enkeltaugliche, gesellschaftlich verantwortungsvolle Unternehmen, dann kann man nicht auf die Politik „warten“, sondern muss in den gegebenen Rahmen initiativ werden. Das können persönlich kleine Schritte, neue Geschäftsmodelle und Unternehmensprozess oder durchaus kraftvolle die Politik verändernde Interventionen sein – wie die Arbeit von Verbänden oder die Gründung der „CFO Taskforce Introduced Principles on SDG Integrated Investments and Finance“.  

Das sind Maßnahmen, die auch emotional berühren, die können Hoffnungen mobilisieren und daran erinnern, es gibt die Selbstentwicklungs-, die Selbstheilungskräfte von sozialen Systemen.