Transformation

8. März 2021

Die Dynamik zwischen Ungewissheit und Tatendrang

Was Sie erwartet:
Eine Transformation der Organisation oder einzelner Teilbereiche ist – neben oder trotz jeder klaren Entscheidung, jedem zukunftsgerichteten Engagement – begleitet von Ungewissheit und Unsicherheit. Es sind unsere menschlichen Reaktionen, wenn wir noch nicht wissen, was die nächsten Schritte sein können, welche Wirkungen uns erwarten werden, ob wir ‚richtig‘ entschieden haben, und wir schon voller Tatendrang in den Startlöchern stehen. Sie sind ebenso treu wie legitim.
Eine Transformation bringt immer gewisse Chaos-Phasen mit sich, darauf kann man sich verlassen. Wie kann Führung diese wirksam nutzen und gestalten?
Dieser Blog beschreibt einige Facetten aus Veränderungen, die nicht nur eine neue Variante des Bisherigen hervorbringen wollen (oder sollen), sondern Bestehendes wirklich wandeln, eben transformieren wollen. Als Führungsverantwortliche werden Sie besser verstehen, mit welchen Dynamiken und Themen Sie und Ihr Team ziemlich sicher dabei zu tun haben, und wie Sie bestärkt daraus hervorgehen können.
Springen wir also gleich mitten hinein.

Wer die Wahl hat, hat die Qual?

In Veränderungssituationen,  etwa in der Startphase einer reorganisierten Abteilung – neue Strukturen, neue Führungsverantwortliche, neue Aufgabenschwerpunkte – können sich die Handelnden noch nicht auf eingespielte informelle und formelle Muster oder gar Routinen beziehen (es sei denn, sie greifen auf bisher Gewohntes zurück). Neue Muster existieren noch nicht, sie müssen sich erst entwickeln. Das geschieht über gemeinsam geschaffene und etablierte Spielregeln, Prämissen, Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen.

Eine besondere Herausforderung in solchen noch ungeformten oder wenig geformten Abläufen und Verhaltensmöglichkeiten ist das Phänomen der Kontingenz: Sie sehen sich konfrontiert mit der Möglichkeit und zugleich Notwendigkeit, aus mehreren Alternativen auswählen zu können und zu müssen; eine Selektion zu treffen. Damit scheiden Alternativen aus, die ebenfalls möglich und nützlich gewesen wären.
Nahezu jedes Vorgehen, Priorisieren, Verhalten, Entscheiden „kann so“, „oder anders“, oder „noch ganz anders“ getan werden. Selbst wenn Sie auf bisher gewohnte Entscheidungs- oder Kommunikationsmuster zurückgreifen, ist auch das bereits eine Selektion.

In einem stetigen Kreislauf von Aktion und Reflexion wird man sich immer wieder auf das jeweilige und gemeinsame Vorgehen, auf Kriterien und Prämissen für Entscheidungen, auf Zeitrhythmen und Inhalte verständigen müssen.

Transformation statt begrenzter Veränderung

Transformation ist mehr als Veränderung. Transformation geht darüber hinaus, eine weitere Variation des Bestehenden zu sein. Sie ist vielmehr ein grund-legender Wandel, ein Prozess der Entwicklung in etwas Neues hinein.
Auf solch einem Weg wird man sich
        zwischen dem Bisherigen/Gewohnten und dem Neuen, das noch nicht ist,
bisweilen etwas verloren oder desorientiert fühlen. Man wird es phasenweise als – mehr oder weniger – chaotisch erleben.

Als Führungsverantwortliche, ob als Einzelperson oder als Team, ist man insbesondere zu Beginn einer Transformation auf der Suche,
         neue hilfreiche Vorgehensweisen und Strukturen zu entwickeln
UND muss gleichzeitig bereits „funktionieren“,
als wenn es diese Klärungen bereits gegeben hätte. Fühlt sich ebenfalls verwirrend bis chaotisch an.

Ungeduld und Spannung

Das noch nicht Eingespielte, das Ungewisse führt – verständlicherweise – zu Ungeduld und Spannung. Gedanken und Gespräche sind teilweise stark geprägt von Fragen wie: „Müssten wir unsere Fragen nicht viel konkreter klären?”, „Lasst uns endlich loslegen, ich kann es kaum erwarten!”, „Wie lange halten wir diese Unsicherheit aus, was sagen wir unsren Mitarbeitenden?”, „Ich glaub, ich schaffe das nicht.“ „Wir müssen effizienter sein! Die Kunden erwarten von uns den gewohnten Service.” … Ergänzen Sie selbst!

Der Wunsch nach Sicherheit – durch klare Strukturen, Kriterien, Prämissen – ist groß. Auch das ist sehr verständlich!
Aber: gewohnte Sicherheiten ‚spießen‘ sich mit Agilität, deren kreatives Moment ja u.a. die Ungewissheit ist. Ungewissheit, Unsicherheit als Motor und Inspiration für die Suche nach Alternativen.

Zu frühe Festlegungen in einer Transformation kappen einen Entwicklungs- oder Konstituierungsprozess.
Neuer Wein in alten Schläuchen – der schale Geschmack des Ausgedienten mischt sich überall hinein.

Neues Spiel – neues Spielfeld

Man muss sich darüber verständigen und aushandeln, welche Strukturen, Muster, Prämissen etc. sich auch jetzt bewähren würden, welche (Entscheidungs-)Kriterien wovon (Sinn, Strategie, Ressourcen, definierten Zielen, etc.) abgeleitet werden können bzw. müssen – ohne sicher sein zu können, dass diese für die zukünftigen Situationen auch passen.
Als Bereich oder Abteilung in einem agilen Umfeld – sowohl innen und als auch außen – tut man gut daran, sich das Spielfeld offen zu halten, d.h. Handlungen und Verhaltensweisen, Spielregeln experimentell zu erproben, Wirkungen in Beobachtung halten, reflektieren und sich darüber austauschen. Entscheidungen treffen und – im Kreislauf beobachten>reflektieren>bewerten – jeweils wieder neu entscheiden.

Ungewissheiten als ‚treue‘ Begleiter

Sich als Führungsverantwortliche in Momenten oder Phasen von Ungewissheit und Unsicherheit auf Fach- und Inhaltsthemen zu konzentrieren, ist ein ebenso verbreitetes wie menschliches Verhalten: es dient dem Wunsch nach Sicherheit und Stabilisierung. Verständlich, aber nur bedingt hilfreich.
Hilfreich insofern, weil es beruhigt und somit Kopf und Herz klärt und wieder öffnet; die stressbedingte Begrenzung unseres Denkens als auch des Fühlens löst sich.
Diese erholsame Beruhigung wird meist zu früh beruhigen (siehe oben), und ohnehin nur kurzfristig.

Hilfreicher, und nachhaltiger wird es sein, diesen Moment der Stabilisierung zu reflektieren, um sicherzustellen, ob man dabei ist, gewünschte Verhaltens- und Kommunikationsweisen, sinnvolle Prämissen, tragbare Strukturen etc. zu entwickeln, oder eben unbedacht tradierte und gewohnte Muster erneut zu festigen.

Es gilt zu unterscheiden, wo Sicherheit oberste Priorität hat, und wo es bewusste Schritte in die Ungewissheit braucht, um aus Veränderung eine gewünschte Transformation zu entwickeln.

Praxis-Tipp:

Wenn diese Überlegungen Sie angeregt oder auch irritiert haben, stellen Sie sich – individuell oder besser noch, im Führungs-Team – folgende Reflexions- und Diskussionsfragen:

  • Was habe ich/haben wir verstanden, wo gehen wir mit? Was irritiert mich/uns, was verstehen wir nicht, was sehen wir anders?
  • Welche gewohnten Muster (in Kommunikationsverhalten, Entscheidungsfindung, Rollenzuschreibung/-übernahme) hindern uns am meisten an einer Transformation? Was halten wir damit fest?
  • Worauf müssen wir in unserer Funktion als Führungs-Team JETZT mit höchster Aufmerksamkeit achten? Was versprechen wir uns davon?

Viel Freude bei Ihren Beobachtungen und Entdeckungen!