BANI soll VUKA ersetzen!?

5. Februar 2022

Ein Marketingspiel um Aufmerksamkeit oder eine inhaltliche Weiterführung?

Der Key Not Speaker Stephan Grabmeier hat sich entschieden, VUKA zu Grabe zu tragen („Nun stehen wir an der Schwelle zu einer Welt, die von Chaos geprägt ist. VUCA liefert uns daher immer weniger nützliche Erkenntnisse“ Link).

Zugegeben, es kann einem schon nerven, dass jedes Managementkonzept, jede Führungs- und Agilitätsmethode versprechen muss, die Antwort  für Volatilität, Ungewissheit, Komplexität, Ambiguität liefern zu können., Aber spricht diese emotionale Reaktion, die auch mir nicht fremd ist, gegen diese Charakterisierung der Unternehmensumwelten?

Und verweist das neue Akronym BANI auf bisher nicht Beachtetes, beschreibt es qualitativ besser den Zustand der Welt, wie Stephan Grabmeier behauptet? („BANI ein neues, auf die Situation angepasstes Modell. Dabei steht BANI für B:rittle (brüchig), A:nxious (ängstlich, besorgt), N:on-linear (nicht-linear) und I:ncomprehensible (unbegreiflich)“. Grabmeier bezieht sich auf den Ansatz von Jamais Cascio der in seinem Medium-Beitrag „Facing the age of chaos“, die Logik von BANI als Sensemaking Model ins Leben gerufen hat.

Aus meiner Beobachtung von Organisationen und deren Umfeld und der aktuellen gesellschaftlichen -durchaus beunruhigenden – Dynamik, fällt es mir dennoch schwer seine Ausgangshypothese „Wir befinden uns in einem Zeitalter des Chaos – einer Ära, die intensiv, fast gewaltsam, Struktur ablehnt“ zu unterschreiben. Sie passt für mich zum Mainstream der Dramatisierung, der Empörung ohne Evidenz – um einen aktuellen Begriff zu benutzen – herstellen zu müssen. Um im Aufmerksamkeitswettbewerb sichtbar zu werden, müssen neue Begriffe erfunden und dafür eine Sicht auf die Welt konstruiert werden, die sie logisch erscheinen lassen. VUKA reicht nicht. Grabmeier spricht selbst von einem „apokalyptischen Rahmen“ (sic!). Mehr Aufgeregtheit geht nicht.

Wie auch immer, frage ich mich – mit meiner systemtheoretischen Perspektive – was können die neuen Charakteristika leisten, was machen sie deutlicher oder eben nicht?

Worauf verweist BANI?

„B“ – B:rittle steht für „spröde und brüchig“  – ein Begriff aus der Materialwirtschaf. Sollte ein Betonpfeiler solche Eigenschaften aufweisen, dann ist tatsächlich Gefahr in Verzug. Es fällt mir schwer, die Verfasstheit sozialer und lebendiger Systeme mit diesem technischen Begriff adäquat zu erfassen. Familien, Teams, Organisationen, Gesellschaften – so meine Beobachtungen – sind nach wie vor erstaunlich stabil UND adaptionsfähig und andererseits, weil sie adaptionsfähig sind auch unbeständig, flüchtig , eben volatil (das V bei VUKA). Ehen können zwar „in die Brüche gehen“ – aber das ist meist das Ergebnis eines längeren Prozesses, der Bruch geschieht dann nicht einfach, sondern die Trennung wird entschieden. Über Entscheidung konnte ich im BANI-Konzept wenig lesen.

„A“ – A:nxious steht für „ängstlich und besorgt“ – hier wechselt der Autor plötzlich die Logik; Ängstlichkeit ist eine Reaktion von Menschen (das kann auch ein Team erfassen) von z.B. Ungewissheit, aber keine Systemeigenschaft. Anxious hat sich verstärkt, war aber schon eine Auswirkung einer VUKA-Welt. 

„N“ – N:on-linear steht für „nicht-linear“. Ja, klar lebendige, soziale Systeme sind immer schon nicht linear, das ist ein Lebensprinzip. Was anders ist denn Komplexität? Also keine neue Charakterisierung der Gegenwart.

„I“ – I:ncomprehensible steht für „unverständlich und unbegreiflich“. Was wieder keine Systemeigenschaft ist, sondern ein nicht seltenes Bewertungsmuster, wenn man es mit Nicht-Linearität, mit Mehrdeutigkeit und Komplexität – also mit dem Leben zu tun hat.  

Es fällt mir schwer einen Mehrgewinn zu erkennen. Das mag aber an meinen Scheuklappen liegen, ich lasse mich gerne von anderen Perspektiven überraschen.

Noch ein Blick auf die Lösungsideen, die BANI bieten könnte:

Ich zitiere aus dem o.g. Artikel:

  • Sprödigkeit könnte durch Belastbarkeit und Resilienz begegnet werden;
  • Angst kann durch Empathie und Achtsamkeit gemildert werden;
  • Nichtlinearität erfordert Kontext und Adaptivität;
  • Unverständlichkeit verlangt nach Transparenz und Intuition.

Gegen diese Vorschläge kann man nichts haben, wie auch immer man die Welt konstruiert.
Wenn das die Lösungen sind, um Chaos und Apokalypse abzuwenden, dann möge man mit einem neuen Akronym operieren. Das Entwertungsspiel (siehe die Einstiegsargumente) wertet jedoch die Überlegungen des BANI-Konzeptes nicht auf
. (Siehe auch „Führen in der VUCA-Welt?“ und „Ein Blick in die VUCA-Welt„)