Verantwortung hoch 3 – Teil 3
Die triadische Dynamik von Verantwortung.
Kontrolle – Unwägbarkeiten – Vertrauen
Im dritten und vorläufig letzten Teil bewegen wir uns in die Unwägbarkeiten der Paradoxie von Vertrauen und Kontrolle. Ein Blick auf die Triade von Funktion-Rolle-Person gibt Orientierung in diesem Dschungel.
Unwägbarkeit ist die Charakteristik der VUKA-Welt.
Das ist schlecht für die Idee der Kontrolle. Das ist gut für die Idee der Agilen Organisation. Die Agile Organisation muss, um für Unwägbarkeiten eine organisatorische Alternative zu sein, selbst das Unwägbare in sich zulassen. Schlecht für die Idee der Sicherheit durch Kontrolle und rationale, lineare Steuerung.
Zum Unwägbaren gehört das Entscheiden.
Wenn man etwas berechnen kann, braucht man diese Kunst nicht anzuwenden. Zukunft lässt sich nicht berechnen und dennoch muss man – vor allem Management –Verantwortung für zukünftige Entwicklungen und Erfordernisse übernehmen. Weder rationale Ableitungen, logische Schlussfolgerungen noch das Orakel können sicherstellen, dass man im Augenblick der Übernahme von Verantwortung = Entscheidung meist gar nicht er-kennen und schon gar nicht wissen kann, welche Auswirkungen und Herausforderungen sich in der Zukunft ergeben werden.
Klugheit und vernünftige Erklärungen können nur rückwirkend verfasst werden. Dieses Dilemma enthebt aber nicht von der Verantwortung und erfordert, sich auf Wahrscheinlichkeiten, auf Simulationsmodelle, also auf Berechenbares einzulassen (siehe die Konflikte zur Klimakrise).
Zukunftskonzepte, Strategien, Lösungen für komplexe Dynamiken können inhaltlich nie komplett abgesichert werden (das wäre nur mit Stillstand zu „erkaufen“ und das Leben zöge an einem vorbei; Schlag nach bei Gorbatschow). Man kann jedoch strukturelle, persönliche, emotionale Rahmenbedingungen schaffen, damit man sich ins unbekannte Terrain wagen kann. Sicherheit entsteht im achtsamen, beobachtenden und mutigen Gehen.
Die Gefahr des Verirrens oder eines Absturzes gehört zum Leben. Andererseits bringen zu viel Kühnheit und zu viel Vermeidung von Gefahren Führung und das gesamte System in Schwierigkeiten.
Risikomanagement ist die Kunst des Dazwischen.
Balancieren will gelernt werden. Wollten Führungskräfte alles berechnen und damit kontrollieren, verlernen die anderen, Verantwortung für das eigene Tun und das Entscheiden zu übernehmen. Wird von Führungskräften andererseits zu wenig beobachtet, reflektiert und korrigiert, besteht das Risiko, dass sich Mitarbeiter*innen orientierungslos fühlen und sich fragen: „Wozu haben wir eine Leitung“?
Aus diesem Dilemma gibt es keinen Ausweg. Führung muss auch kontrollieren (und sich kontrollieren lassen), im Wissen um das Nichtkontrollierbare.
Ist Vertrauen die Lösung dieses Dilemmas? JA und NEIN
Kontrolle ist ohne ein Mindestmaß an Vertrauen gar nicht zu realisieren. Ein komplettes Netz an Kontrollinstrumenten ist zwar technisch möglich, sozial würde es den Kontrollierenden mit dem Kontrollierten fix koppeln, keiner wäre mehr frei und die Übernahme von Verantwortung irrelevant geworden. In so einer Konstellation wird sich der Kontrollierende wahrscheinlich fragen, warum er nicht selbst die Aufgaben bis ins Detail übernimmt. Und in der Tat, so selten sind diese Überlegungen in der Praxis nicht.
Andererseits ist Vertrauen eine Beziehungsqualität, genährt vom Zu-trauen in die Anderen – im Spannungsverhältnis von Wissen und Nicht-wissen-können, was den Anderen wirklich zuzutrauen ist, wie sie ihre Aufgabe interpretieren werden. Also nicht wirklich etwas Stabiles.
Vertrauen ist immer mit Risiko verbunden, es ist ein Invest (letztlich ein Geschenk) in die Zukunft, bei dem man nur hoffen, aber nie wissen kann, ob der Einsatz mit „Zinsen“ zurück kommt. Man hofft, dass der Vorteil, den man aus dem Vertrauenserweis gewinnt, grösser ist als der Verlust aus einer möglichen Enttäuschung. Kontrollieren lässt sich das nicht. Der klare Vorteil: ein „gegebenes“, d.h. geschenktes Vertrauen anerkennt die Leistungsfähigkeit des Interaktionspartners.
Vertrauenswürdigkeit stimuliert auch die Leistungsfähigkeit der Akteurinnen in einer Vertrauens- und Verantwortungskultur.
Funktion – Rolle – Person
Obwohl Vertrauen Komplexität und damit den Kontrollaufwand mit dessen negativen Spiralen reduziert, erhöht es Komplexität um soziale Beziehungsdimensionen, die damit ins Spiel genommen werden müssen.
Umfassendes, undifferenziertes Vertrauen kann auch blind machen. Sehend wird man, wenn man entdeckt, worin man mehr und worin man weniger Vertrauen hat. Die Unterscheidung in Funktion, Rolle, Person hilft im Vertrauensprozess zu klären, welche Voraussetzungen zu schaffen sind, um die Übernahme von Verantwortung realistisch organisieren zu können.

Fachliche, strukturelle, persönliche Voraussetzungen
Wendet man diese Triade im Kontext von Vertrauen vs Kontrolle wieder auf das Thema Verantwortung an, lässt sich – recht nüchtern analytisch – herausfinden,
- was sind fachliche/inhaltliche,
- was die strukturell/ressourcenbezogenen, und
- was sind persönliche/emotionale Voraussetzungen,
um Verantwortung tragen zu können?

Das Entdecken von Triaden lohnt, sie führen aus der möglichen Lähmung von zu umfangreichen, komplexen und manchmal auch paradoxen Verhältnissen und dem wenig nützlichen >Entweder-Oder< heraus.
Zur praktischen Umsetzung
Ein Angebot von Redmont: In einem Tagesworkshop (intern oder extern) können Sie mit uns an Hand Ihrer konkreten Fälle besprechen, reflektieren und konkrete Lösungen erarbeiten.
Kontaktieren Sie uns (Email): Susanne Ehmer, Herbert Schober-Ehmer
Siehe auch unsere Beiträge „Vertrauen hoch 3“ Teil 1 und Teil 2
jenseits von Widersprüchen
Ein Team, ein Leitungsgremium muss sich nicht in Widersprüche verheddern, Energien in Konflikte – wie fruchbar sie auch sein mögen – investieren. Man muss nicht zwischen den Polen von Paradoxien oszillieren oder sie organisatorisch ausdifferenzieren, man muss nicht mal nach einem „sowohl als auch“ suchen, sondern kann daüber – im wahrsten Sinn – hinausgehen. Die Methode des Tetralemma sieht nach der vierten Position (das „Weder noch“) die fünfte „und auch das nicht“ vor. Man muss nur wagen es zu denken und wird dann ganz neue Räume der Entwicklung entdecken.
Praktisch gesprochen: man muss z.B. in einer Netzwerksorganisation das Widerspruchspaar „Autonomie und Verbundenheit“, bzw. „individuelle Freiheit und achten auf das Ganze“ nicht „beregeln und managen“, sondern kann im Vertrauen auf gemeinsam gefundene und tief verankerte Werte (Freude, Leichtigkeit, Liebe, Entdeckerlust, Humor, Ästhetik, Austausch) die Entwicklung und den Weg, den jede(r) daraus ableitet, freigeben. Achtsame Beobachtung wird diese Wege begleiten und man wird ganz neue Möglichkeiten finden und kreieren, die sonst, mit dem strengen Fokus auf den Widerspruch, unentdeckt blieben.
Das ist nicht naiv, sondern klug in einer Welt voll Überraschungen und Ungewissheiten.
Kein Leben ohne Widersprüche
Leben ist paradox und fordert Antworten auf Paradoxien, die meist weitere Paradoxien erzeugen. Das ist so selbstverständlich, dass erst der bewusste, reflektierende Blickdarauf Erstaunen und manchmal auch die Tausendfüßler-Lähmung auslöst.
Wenn Ihr Leben, zumindest die Organisation, in der Sie arbeiten, gut geordnet erscheint, dann haben Sie entweder Ihre Widersprüche kreativ gemanagt, haben raffinierte Formen des Strukturierens und Prozessierens kreiert oder Sie haben diese Widersprüche ebenso kreativ und raffiniert unsichtbar gemacht. Wie auch immer, jede dieser Strategien hat ihre Berechtigung – allerdings auch ihren Preis.
Widersprüche, die bearbeitet und bewältigt werden müssen, haben sich vervielfacht. Es ist vorbei mit widerspruchfreien Räumen!
Das Management kann sich – will es Organisationen erfolgreich führen – immer seltener auf die einfache Lösung des Entweder-Oder zurückziehen, weil sich immer öfter das Sowohl-als-auch oder das Weder-noch Vortritt und Beachtung verschafft. Zugleich darf es sich nicht in Widersprüchen und Paradoxien verstricken. Auch wenn die Welt volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig (VUCA) geworden ist, muss entschieden und gehandelt werden.
Ein Dilemma – die Begleiterscheinung von Widersprüchen – fragt nach Lösungen.
Was kann man tun?
Wenn alles halbwegs läuft, nichts. Auch nicht, sich von unseren Überlegungen irritieren lassen.
Wenn es hingegen irgendwo hakt, wäre der erste Schritt, sich vom Wunsch nach der einzig richtigen Lösung zu verabschieden und die Unsicherheit zum Freund und zur Quelle von Kreativität zu machen. 🙂
…mehr dazu ab Frühjahr 2016 in „ÜberLeben in der Gleichzeitigkeit. Leadership in der Organisation N.N.“ Carl Auer Verlag
Ein Blick in die VUCA-Welt
„Alles ist sprunghafter, unklarer, widersprüchlicher geworden. Wir sollen für Kunden und Mitarbeiter berechenbar sein und strategische Gewissheiten vermitteln, zugleich aber flexibel auf jede noch so unterschiedliche Erwartung antworten. Wir sollen rasch entscheiden, aber natürlich alle Aspekte berücksichtigen. Wir sollen die Erfahrung und Loyalität der älteren Mitarbeiter respektieren, aber auch die Ungebundenheit und Neugier der Y-Generation nutzen. Wir sollen Entscheidungen in eigenständige, dezentrale Einheiten verlagern, diese jedoch durch ein zentrales Controlling koordinieren – aber ohne bürokratische Regeln. Wir sollen die unterschiedlichen Logiken von Hierarchie und Matrix, von Teams und Netzwerken unter einen Hut bringen und natürlich als Unternehmen resilient und nachhaltig sein. Und das sind nur einige der Anforderungen.“
Das ist die Bündelung von Originalzitaten einer Erhebung bei CEO und Geschäftsführern – nichts anderes, ist mit „VUCA-Welt“ gemeint.
Ich mag diese Wortkreation. Einerseits lässt deren Klang schon ahnen, worauf man sich einzustellen hat und andererseits schafft sie – wie bei einem Zaubertrick – eine Paradoxie und löst sie in sich zugleich auf. Die einzelnen Begriffe – volatility, uncertainty, complexity and ambiguity – lösen die Vorstellung einer stabilen Welt auf und fangen das „nicht Erfassbare“ in einem Begriff wieder ein. Das – zumindest linear – nicht mehr Steuerbare, das diese vier Unterscheidungen suggerieren, sind zugleich die Antwort auf das Problem und eine entlastende Erklärung für möglich Verwirrungen: „die Welt ist VUCA“. Und schon wird zur Beunruhigung eine beruhigende „Kausalitätsmaschine“ an die Hand gegeben.[1]
Aber was sind die Lösungen, die Rezepte für etwas, für das es ja keine Rezepte geben dürfte; was gilt es anders zu machen?
Wenn die Welt VUCA ist, dann sei selber VUCA!
Mehr dazu lesen Sie hier…
[1] Wir scheinen ohne Kausalitätsmaschinen nicht auszukommen, z.B. das Unbewusste – das ja niemand wirklich kennt, weder man selbst, noch der beste Psychoanalytiker, war dort auf Besuch – ist auch so eine Maschine, die das Unerklärbare zu erklären scheint. „Das war eine unbewusste Reaktion“